Montag, 23. August 2010

Der Präfix ver- und einmal ge-


Ich habe verlernt
- zu fragen, wie du heißt.
Ich habe verlernt
- zu folgen dem, was ich längst weiß.
Ich habe verlernt
- zu singen und zu schreiben.
Ich habe verlernt
- zu dir zu gehen, nicht daheim zu bleiben.

Ich habe vergessen
- das Lächeln, das ich in mir trug.
Ich habe vergessen
- was ich gelernt, bin fern ab von klug.
Ich habe vergessen
- was ich mochte, wofür ich ging.
Ich habe vergessen
- meine Sehnsucht nach einem gemeinsamen Ring.

Ich habe verloren
- das Vorgehen, so wie ich es kannte.
Ich habe verloren
- die Menschen, die Freunde, auch meine Verwandte.
Ich habe verloren
- Natur und Tier, die Unschuld der Blumen.
Ich habe verloren
- den Hunger auf Brot, auch den auf trockene Krumen.

Ich habe gegeben
- ohne zu fragen, wem und warum.
Ich habe gegeben
- konnt‘ eh nichts mehr tragen, war ja schon krumm.
Ich habe gegeben
- kein Wert, kein Sinn an Dingen sich hält.
Ich habe gegeben
- dem gehört, wem etwas bedeutet das Geld.

Ich habe verworfen
- was teuer und lieb da einst stand.
Ich habe verworfen
- was mich mit Raum und Zeit verband.
Ich habe verworfen
- wer ich war, jetzt bin, dann werde.
Ich habe verworfen
- meinen Glauben an das Stete, die Stadt – ach, die ganze Erde.

Ich habe vermisst
- dass du kommst, um einfach hier zu bleiben.
Ich habe vermisst
- dass sich unsere Hände ineinander warm reiben.
Ich habe vermisst
- dass du lachst und summst und sprichst.
Ich habe vermisst
- dass du mich umarmst, nicht mir das Rückgrat brichst.